Prolog (2000)
Ein See liegt
kalt, allein
im Land
und Sonne scheint nicht auf ihn
Doch fliegen
Wolken über ihn
ein kleiner Strand
wo seine flachen Ufer fliehn
In ihm blieben
Spiegelbilder
Wasserwand
gefangene Gesichter ziehn
Dort ihre trüben
Kreise wider
im Land
wo nie die Sonne schien
Schwebpunkte kaltweiss in Zeit verloren
Ein Flug durch weisse Wüste
die Sonne brennt darnieder
der Sand ist kristallen
feucht und kalt
Die Wirbelsturmküste
singt gefrorne Seemannslieder
chaotisch tänzelnd fallen
weisse Blumen in den Wald
Glitzernd bleiches Blühen
korallen scheinen kahle Äste
verzweigt in den Himmel unendlich
selbst Spitzen befühlt vom Kristall
Die im blendenden Lichte glühen
tragen aufgefiederte Gäste
erstarrtes Wasser erkenntlich
still erschöpft von langem Fall
Gefangen in vereistem Schlaf
ein Traum von kalter Glitzerwelt
ein Traum, der schmilzt, von Licht erhellt
wenn heisser Sonnenstrahl ihn traf
zur Vergänglichkeit erwählt
hinweggewaschen vom Regen der Zeit
in gewaltigem Strom vereint ungezählt
fliesst sternenfernweit
hinein in die Unendlichkeit
aus der Wirklichkeit gestellt
An einen Ort fern allem Leid
aber auch dem Glück entstellt
wo niemand jemals trauert, freut
wie wahrlich übermenschlich Held
Im zarten Licht
ein leuchtend Blatt
gleitet dahin
im Wind
Getrübte Sicht
grau und satt
Nebelbeginn
wird blind
Auge des
Himmels wolken-
bedeckt
zugekniffen
Erstrahlt
es kaum, wolken-
versteckt
in Dunkelheit begriffen
Das Licht
das Leben bringt
in seinem Winter
Streifen schwarzweiss
zerschneiden eine Fläche
aus kaltem, grauem Stein
Dunstig ist es, leis'
und langsam fliessen Bäche
aus Regen um mein Bein
Dort hinten ist, was Silber
mir verlangt, gierig schluckend
Sirren, Geräusche, verwirrend
Ein Kreischen, etwas wilder
Papier in Streifen spuckend
und schon nach neuem gierend
Durch Frost laufen
in kaltes, grosses Betonwesen
zu lernen, was Wissen heisst
Denken in Schlaufen
nie so gleichgültig gewesen
wartend, dass mich Leben beisst
Der Wald liegt grün
und bunt und kalt
und feucht und klamm
dort draussen in der Welt
Die Winde ziehn
durch Thann so alt
Laub und Schlamm
am Boden, Weg gewählt
Stapfend verloren
in Unterholzwüste
Luftsegen saugend
würziger Duft
Baum geboren
an Waldesküste
dem Grase raubend
Erde und Luft
Moos schimmert
zwischen den Stämmen
und ich laufe und laufe
ich laufe fort
in Waldestiefe
hinein
Wenn in der Ferne
der Horizont im Flusenvorhang
des Flockengewitters verschwimmt
Denk' ich mich gerne
als Schnee an einem Abhang
der rutschend Hügelkraft gewinnt
Wie kleine Sterne
funkelt mir Herausgang
des Lichts, der aus Kristallen sich beginnt
Erlerne
ich den Klang
der so durch's Leben schwingt
So wird myriadenbunt
meine Seele farbig strahlen
wie Lichterverbund
aus Kristallfelderwahlen
sie Licht nimmt
(wie Leben)
und herauswirft
in einer Explosion von Vielfalt
Windgefangne Blätter
fliegen wandernd
durch die Luft
Kalterlangtes Wetter
Nebelversandend
frischer Duft
Tropfen springen
Ort zu Ort
Glockenspielsingen
hinfort
zu dringen
In die Ewigkeit
aus Wolken
und sanftem Wind
So weit
wie wir wollen
Sturmeskind
Das Licht fehlt
weiss der Nebel
im traumverhangnen
dichten Wald
Weg erwählt
wähle Dein Segel
hindurch zu gelangen
durch den Wald
Wo Spinnennetz
sich blitzend über Wege spannt
da bin ich jetzt
vom funkelnd Anblick wie gebannt
Es krabbeln kleine Flüstertiere
lautlos hier von Ast zu Ast
wer in frischer Luft marschiere
dem ist die Sonn' die beste Rast
Spiegelt sich auf Flügeldecken
erst der erste Sonnenstrahl
von den Bäumen fallen Eckern
Blätter auch, bald sind sie kahl
Wenn sich der Wald zum Herbsten senkt
grosszügig seine Blätter schenkt
in einem Meer aus Regentropfen
die letzten braunen Kröten hopfen
In einem Wind aus kaltem Nass
gefangen, Dunkelheit und Trübe
Tröpfchenvorhang, feucht und blass
sich nebelgrau vor Augen schiebe
Das letzte Eichhorn sammelt Zapfen
die Samen für den Sommerkeim
siehst Du seine Pfötchentapfen?
und doch ist jenes Gut nicht sein
Die Schale bricht
der Baum entsteigt
und wenn das Jahr dann neu beginnt
sich der kleine Keim verzweigt
so manchen Sonnenstrahl gewinnt
sich vor Wind und Wetter neigt
zum Licht
Dann ist der Herbst vergangen
dem Winter Frühling nun errangen
unter neuem Lebensstrom
erfrischt
so ist es mir gegangen
gemischt
Doch wer wird es verlangen?
Das Paradies
des Lebens?
Und der Einsame sieht die Sonne strahlen über die roten Ziegeldächer
und schaut den
letzten Bienen des Herbstes zu, wie sie die süssen Pollen des
blühenden
Efeus in ihr warmes, kuschliges Heim fliegen. Ihre Flügel glänzen
in der
Sonne. Und ihr Summen erfüllt die frische Luft mit einem Atemhauch
des
Lebens, wie die Wölkchen, die aus meinem Mund kommen, wenn ich
versuche,
etwas zu sagen. Die kahlgewordenen Zweige werden grün umrahmt
von
immergrünen Thujahecken, deren ledriges Blattwerk unbeschadet
den
hoffentlich nicht zu kalten Winter überstehen wird. Eine Biene
fliegt
direkt an ihnen vorbei. Ihr Chitinpanzer schimmert matt in der schwächer
werdenden Sonne. Und Doch fängt sie etwas davon auf... und bewahrt
es
tief in ihr auf. Sie leuchtet schwach aus sich heraus... fliegt in
ein
offenes Fenster. Da sitzt sie nun. Ganz und gar nicht still. Und ich
beobachte, wie sie brummelnd, tastend, summend über meine Hand
krabbelt
und eine kleine, süsse, goldene Spur aus Pollen zurücklässt.
Der Mond zeigt seinen Schleier
kalt und dampfig ists
tief unten liegt der Weiher
im silbergrauen Licht
Siehst Du die Fischlein blitzen
wie Edelstein, so hell
man kann dies nicht besitzen
dies ist des Lebens Quell
Im Kraut, da lauern Frösche
der Mücken, Fliegen Tod
am Ufer, im Gebüsche
hier gibt's sie nicht, die Not
Nur Leben siehst Du, wimmeln
denn Sterben gibt's hier nicht
die, die damit beginnen
sie sind das Hauptgericht
Es schlagen sachte Wellen
- des Schlangenkörpers Brut -
an Sand und in den hellen
den Schein der ersten Glut
Denn bald schon ist es Tage
hörst Du die Nachtigall?
Hält ihre traurig Klage
es naht in jedem Fall
Der Morgen kalt und frisch
wenn ich die Augen öffne
den ersten Strahl erwisch'
dann lebt mein Leben wieder
denn nur das sei mein Geschick
zu leben.
Aus traufgetränktem Himmelshemd
wringt sich der Regen mir entgegen
Tropfenmassen, lautlos nass
tränken nun die Erde
Aus ausgetretnen Wegen schwemmt
das Wasser, was dort einst gelegen
und ovalgeformte Löcher
bilden eine Pfützenherde
Darinnen spiegelt sich die Welt
getrübt und tausendfach verschwommen
siehst Du das grause Himmelszelt
das jede Sonne Dir genommen
Es verzerret sich, bewegt sich
es haucht der frische Morgenwind
Dellen ins Bild, nun scheint es kläglich
der kleine Spiegel, er ist blind
Rundgeformte Tropfen glucksen
hohl ins braune Wegesloch
und kleine Wasserlachen hupfen
heraus, dahin, randüber noch
Im schlammig Grunde winden Würmer
Krebse und Insekten sich
Larven schlüpfen, Himmelsstürmer
im Schwarm, da folgt der grosse Stich
Blutgierig sind sie, wie Vampire
Geifer tropft nach Menschenblut
ich renne schreiend durch den Nebel
und Wasserflut, sie stürzt herab
Ich streng' mich an, wie ich mich wehre
der Wind, er peitscht in kalter Wut
mir meine Haut, ich streich' die Segel
es quält das Leben, lockt das Grab
Neben mir, da ist die Schlucht
ich fliege wahllos über Steine
spür' kaum, wie es glitscht und quatscht
spür' nur Natur, die mich zerschlägt
Als hätt mein Fuss den Ort gesucht
verknot', verwickelt meine Beine
Arme gereckt, kein Halt erhascht
Leben vergangen, nun gelebt
Fall wie ein Stein in kalte Tiefe
flügellos im Heulewind
als ob dort unten man mich riefe
wie ein totgebornes Kind