1999 Gedichte Natur
Schwebpunkte kaltweiss in Zeit verloren | Lichtwinter | Uniparkplatz | In den Wald hinein | Wenn in der Ferne... | Sturmeskind | Herbstparadies
Herbstfliegend | Von Nacht zum Tag | Regenlauf

Prolog (2000)

Ein See liegt
kalt, allein
im Land
und Sonne scheint nicht auf ihn

Doch fliegen
Wolken über ihn
ein kleiner Strand
wo seine flachen Ufer fliehn

In ihm blieben
Spiegelbilder
Wasserwand
gefangene Gesichter ziehn

Dort ihre trüben
Kreise wider
im Land
wo nie die Sonne schien




Schwebpunkte kaltweiss in Zeit verloren

Ein Flug durch weisse Wüste
die Sonne brennt darnieder
der Sand ist kristallen
feucht und kalt

Die Wirbelsturmküste
singt gefrorne Seemannslieder
chaotisch tänzelnd fallen
weisse Blumen in den Wald

Glitzernd bleiches Blühen
korallen scheinen kahle Äste
verzweigt in den Himmel unendlich
selbst Spitzen befühlt vom Kristall

Die im blendenden Lichte glühen
tragen aufgefiederte Gäste
erstarrtes Wasser erkenntlich
still erschöpft von langem Fall

Gefangen in vereistem Schlaf
ein Traum von kalter Glitzerwelt
ein Traum, der schmilzt, von Licht erhellt
wenn heisser Sonnenstrahl ihn traf

zur Vergänglichkeit erwählt
hinweggewaschen vom Regen der Zeit
in gewaltigem Strom vereint ungezählt
fliesst sternenfernweit
hinein in die Unendlichkeit
aus der Wirklichkeit gestellt

An einen Ort fern allem Leid
aber auch dem Glück entstellt
wo niemand jemals trauert, freut
wie wahrlich übermenschlich Held

 

Lichtwinter

Im zarten Licht
ein leuchtend Blatt
gleitet dahin
im Wind

Getrübte Sicht
grau und satt
Nebelbeginn
wird blind

Auge des
Himmels wolken-
bedeckt
zugekniffen

Erstrahlt
es kaum, wolken-
versteckt
in Dunkelheit begriffen

Das Licht
das Leben bringt
in seinem Winter

 

Uniparkplatz

Streifen schwarzweiss
zerschneiden eine Fläche
aus kaltem, grauem Stein

Dunstig ist es, leis'
und langsam fliessen Bäche
aus Regen um mein Bein

Dort hinten ist, was Silber
mir verlangt, gierig schluckend
Sirren, Geräusche, verwirrend

Ein Kreischen, etwas wilder
Papier in Streifen spuckend
und schon nach neuem gierend

Durch Frost laufen
in kaltes, grosses Betonwesen
zu lernen, was Wissen heisst

Denken in Schlaufen
nie so gleichgültig gewesen
wartend, dass mich Leben beisst

 

In den Wald hinein

Der Wald liegt grün
und bunt und kalt
und feucht und klamm
dort draussen in der Welt

Die Winde ziehn
durch Thann so alt
Laub und Schlamm
am Boden, Weg gewählt

Stapfend verloren
in Unterholzwüste
Luftsegen saugend
würziger Duft

Baum geboren
an Waldesküste
dem Grase raubend
Erde und Luft

Moos schimmert
zwischen den Stämmen
und ich laufe und laufe
ich laufe fort
in Waldestiefe
hinein

 

-kein Titel-

Wenn in der Ferne
der Horizont im Flusenvorhang
des Flockengewitters verschwimmt

Denk' ich mich gerne
als Schnee an einem Abhang
der rutschend Hügelkraft gewinnt

Wie kleine Sterne
funkelt mir Herausgang
des Lichts, der aus Kristallen sich beginnt

Erlerne
ich den Klang
der so durch's Leben schwingt

So wird myriadenbunt
meine Seele farbig strahlen
wie Lichterverbund
aus Kristallfelderwahlen
sie Licht nimmt
(wie Leben)
und herauswirft
in einer Explosion von Vielfalt

 

Sturmeskind

Windgefangne Blätter
fliegen wandernd
durch die Luft

Kalterlangtes Wetter
Nebelversandend
frischer Duft

Tropfen springen
Ort zu Ort
Glockenspielsingen
hinfort
zu dringen

In die Ewigkeit
aus Wolken
und sanftem Wind

So weit
wie wir wollen
Sturmeskind
 

Herbstparadies

Das Licht fehlt
weiss der Nebel
im traumverhangnen
dichten Wald

Weg erwählt
wähle Dein Segel
hindurch zu gelangen
durch den Wald

Wo Spinnennetz
sich blitzend über Wege spannt
da bin ich jetzt
vom funkelnd Anblick wie gebannt

Es krabbeln kleine Flüstertiere
lautlos hier von Ast zu Ast
wer in frischer Luft marschiere
dem ist die Sonn' die beste Rast

Spiegelt sich auf Flügeldecken
erst der erste Sonnenstrahl
von den Bäumen fallen Eckern
Blätter auch, bald sind sie kahl

Wenn sich der Wald zum Herbsten senkt
grosszügig seine Blätter schenkt
in einem Meer aus Regentropfen
die letzten braunen Kröten hopfen

In einem Wind aus kaltem Nass
gefangen, Dunkelheit und Trübe
Tröpfchenvorhang, feucht und blass
sich nebelgrau vor Augen schiebe

Das letzte Eichhorn sammelt Zapfen
die Samen für den Sommerkeim
siehst Du seine Pfötchentapfen?
und doch ist jenes Gut nicht sein

Die Schale bricht
der Baum entsteigt
und wenn das Jahr dann neu beginnt
sich der kleine Keim verzweigt
so manchen Sonnenstrahl gewinnt
sich vor Wind und Wetter neigt
zum Licht
Dann ist der Herbst vergangen
dem Winter Frühling nun errangen
unter neuem Lebensstrom
erfrischt
so ist es mir gegangen
gemischt
Doch wer wird es verlangen?
Das Paradies
des Lebens?
 

Herbstfliegend

Und der Einsame sieht die Sonne strahlen über die roten Ziegeldächer und schaut den
letzten Bienen des Herbstes zu, wie sie die süssen Pollen des blühenden
Efeus in ihr warmes, kuschliges Heim fliegen. Ihre Flügel glänzen in der
Sonne. Und ihr Summen erfüllt die frische Luft mit einem Atemhauch des
Lebens, wie die Wölkchen, die aus meinem Mund kommen, wenn ich versuche,
etwas zu sagen. Die kahlgewordenen Zweige werden grün umrahmt von
immergrünen Thujahecken, deren ledriges Blattwerk unbeschadet den
hoffentlich nicht zu kalten Winter überstehen wird. Eine Biene fliegt
direkt an ihnen vorbei. Ihr Chitinpanzer schimmert matt in der schwächer
werdenden Sonne. Und Doch fängt sie etwas davon auf... und bewahrt es
tief in ihr auf. Sie leuchtet schwach aus sich heraus... fliegt in ein
offenes Fenster. Da sitzt sie nun. Ganz und gar nicht still. Und ich
beobachte, wie sie brummelnd, tastend, summend über meine Hand krabbelt
und eine kleine, süsse, goldene Spur aus Pollen zurücklässt.
 

Von Nacht zum Tag

Der Mond zeigt seinen Schleier
kalt und dampfig ists
tief unten liegt der Weiher
im silbergrauen Licht

Siehst Du die Fischlein blitzen
wie Edelstein, so hell
man kann dies nicht besitzen
dies ist des Lebens Quell

Im Kraut, da lauern Frösche
der Mücken, Fliegen Tod
am Ufer, im Gebüsche
hier gibt's sie nicht, die Not

Nur Leben siehst Du, wimmeln
denn Sterben gibt's hier nicht
die, die damit beginnen
sie sind das Hauptgericht

Es schlagen sachte Wellen
- des Schlangenkörpers Brut -
an Sand und in den hellen
den Schein der ersten Glut

Denn bald schon ist es Tage
hörst Du die Nachtigall?
Hält ihre traurig Klage
es naht in jedem Fall

Der Morgen kalt und frisch
wenn ich die Augen öffne
den ersten Strahl erwisch'
dann lebt mein Leben wieder
denn nur das sei mein Geschick
zu leben.

 

Regenlauf

Aus traufgetränktem Himmelshemd
wringt sich der Regen mir entgegen
Tropfenmassen, lautlos nass
tränken nun die Erde

Aus ausgetretnen Wegen schwemmt
das Wasser, was dort einst gelegen
und ovalgeformte Löcher
bilden eine Pfützenherde

Darinnen spiegelt sich die Welt
getrübt und tausendfach verschwommen
siehst Du das grause Himmelszelt
das jede Sonne Dir genommen

Es verzerret sich, bewegt sich
es haucht der frische Morgenwind
Dellen ins Bild, nun scheint es kläglich
der kleine Spiegel, er ist blind

Rundgeformte Tropfen glucksen
hohl ins braune Wegesloch
und kleine Wasserlachen hupfen
heraus, dahin, randüber noch

Im schlammig Grunde winden Würmer
Krebse und Insekten sich
Larven schlüpfen, Himmelsstürmer
im Schwarm, da folgt der grosse Stich

Blutgierig sind sie, wie Vampire
Geifer tropft nach Menschenblut
ich renne schreiend durch den Nebel
und Wasserflut, sie stürzt herab

Ich streng' mich an, wie ich mich wehre
der Wind, er peitscht in kalter Wut
mir meine Haut, ich streich' die Segel
es quält das Leben, lockt das Grab

Neben mir, da ist die Schlucht
ich fliege wahllos über Steine
spür' kaum, wie es glitscht und quatscht
spür' nur Natur, die mich zerschlägt

Als hätt mein Fuss den Ort gesucht
verknot', verwickelt meine Beine
Arme gereckt, kein Halt erhascht
Leben vergangen, nun gelebt

Fall wie ein Stein in kalte Tiefe
flügellos im Heulewind
als ob dort unten man mich riefe
wie ein totgebornes Kind